Die Versorgungssituation der erwachsenen ADHS-Patienten

Trotz hoher Prävalenz von 4% der Erwachsenen beschäftigen sich bisher nur wenige Fachärzte mit diesem Krankheitsbild.

Das hat zur Folge, dass Betroffene lange Wartezeiten und große Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen um ihr ADHS diagnostizieren und behandeln zu lassen.

Viele Psychiater kennen das Krankheitsbild nicht und halten es für eine Modediagnose.

So werden zwar die Begleiterkrankungen der ADHS behandelt, aber  wertvolle störungsspezifsche Therapieansätze nicht genutzt wie die Behandlung mit Stimulantien oder Atomoxetin aber auch verhaltenstherapeutische Angebote, die auf die besondere Problematik bei ADHS abgestimmt ist.

Die wenigen meist an den Unikliniken angesiedelten ADHS-Ambulanzen sind überlaufen und oft auch nicht ausreichend personell mit Fachärzten besetzt.

Institutsambulanzen und psychosomatische Kliniken haben sich meist nicht ausreichend mit diesem Krankheitsbild auseinander gesetzt.

Außerhalb der Universitätskliniken herrscht streckenweise immer noch profundes Unwissen und eine deutliche Skepsis ADHS als eine klinisch relevante psychische Erkrankung anzuerkennen.

Dies hat mehrere Ursachen:

Die meisten heute praktizierenden Fachärzte haben in ihrer Ausbildung nie etwas von ADHS gehört. Die Psychoanalyse konnte genetische Dispositionen bis heute nicht schlüssig in ihrem Krankheitsverständnis verankern.

Der Zeitgeist geprägt von den 60er und 70er Jahren in denen die Entstehung der psychische Störungen weitgehend durch mangelnde Liebe, Traumatisierung und Konflikten begründet wurde, passen so gar nicht mehr zu den Erkenntnissen der heutigen Neurobiologie.

Auch die Behandlung der ADHS mit Medikamenten, die auf Betäubungsmittelrezept verordnet werden müssen,  schüren Ängste und schaffen breite Projektionsflächen für diffuse Bedenken.

Unbehagen schleicht sich ein bei dem Gedanken nicht mehr durch Psychotherapie sondern durch Betäubungsmittel seelische Erkrankungen zu heilen. Der Verlust der Autonomie durch vermeintliche Abhängigkeit von Psychopharmaka wird damit abgewehrt, dass ADHS eine Erfindung der geldgierigen Pharmaindustrie ist. Angeblich werden normale Menschen pathologisiert und mit HIlfe von Medikamente an krankmachende Lebensbedingungen angepasst.

Die fachärztlichen Rahmenbedingungen sind allerdings auch ungünstig, da ADHS eine Erkrankung mit häufigen weiteren seelischen Begleiterkrankungen  und dies eine Herausforderung für die Behandler ist, ohne das er dafür besser bezahlt wird.

Psychiater haben meist nicht mehr als 25 € pro Quartal und Patient. Mit dieser Entlohnung ist keine umfangreiche Diagnostik möglich, ebenso wenig wie eine individualisierte medikamentöse Einstellung mit Begleittherapie.

Psychotherapeuten bekommen etwa 82 € pro Stunde, die sie aber auch mit Patienten verdienen, die wesentlich einfacher führbar sind und die ihnen weniger an Wissen, Nerven, Klarheit, Geduld und Beharrlichkeit abverlangen und noch dazu zuverlässiger sind.

Ein Patient mit einem Partnerschaftskonflikt oder einer Depression ist sehr viel einfacher zu behandeln und meist auch ein dankbarerer Patient.

Als behandelnder Arzt kann es schwierig sein sich auf die Welt der ADHS einzulassen. Es setzt voraus, dass er bereit ist sich fortzubilden und seine eigenen Erfahrungen in der Behandlung der ADHS zu machen.

Die meisten niedergelassenen Psychotherapeuten und Psychiater haben aber keinen Mangel an Patienten, sondern lange Wartelisten. Die Spezialisierung auf ADHS verändert meist die gesamte Praxisstruktur, da auch das Personal durch das von den Patienten mitgebrachte Chaos sehr belastet ist.

Warum sollte ein Niedergelassener nun seine Warteliste vergrößern, sein Personal und sich selbst mehr belasten, wenn seine Kapazität sowieso schon ausgeschöpft ist und der nun droht von ADHS-Patienten überrannt zu werden ohne dass er hierfür auch nur einen € mehr bekommt?

Hinzu kommt, dass es für die Behandlung von ADHS-Patienten kein zusätzliches Medikamentenbudget gibt. Hat der Niedergelassene nun viele ADHS-Patienten läuft er hier noch dazu in die Gefahr eines Medikamentenregresses von Seiten der kassenärztlichen Vereinigung.

Hier bedarf es dringend eines Umdenkens von Seiten der Kostenträger. Es ist untragbar, dass ADHS-Patienten nur unter großen Schwierigkeiten und langen Wartezeiten eine fachärztliche Diagnostik und Behandlung bekommen und dass dieses sehr komplexe Krankheitsbild immer noch nicht ausreichend anerkannt und weiterhin so häufig übersehen wird. Wünschenswert wäre auch, wenn sich mehr Klinken ein Behandlungskonzept für ADHS-Patienten anbieten würden.